Am 25. April 2020 war es endlich so weit: Mein eigener Brennofen ging in Betrieb. Es handelt sich um einen bereits älteren, aber kaum gebrauchten Toplader mit einem Fassungsvermögen von etwa 60 Litern. Das ist nicht gerade viel, es genügt jedoch für meine Akzentschalen.
Ich darf Euch in diesem Zusammenhang verraten, daß der Ofen deutlich weniger gekostet hat als die Elektroinstallation. Diese habe ich nämlich vorsorglich gleich mit ausreichender Reserve geplant und wenn ich nochmal einen Ofen erwerben sollte, stehen 3×32 Ampere bei 400 Volt zur Verfügung.
Eine moderne digitale Steuerung hat der Ofen nicht, mehrere »Rampen« und Haltezeiten bei verschiedenen Temperaturen sind nicht möglich. Die analoge Technik läßt lediglich eine prozentual einstellbare Aufheizleistung bis zu einer wählbaren Umschalttemperatur und dann das Feuern mit voller Leistung bis zur gewünschten Endtemperatur zu. Ein »Feintuning« ist somit nicht möglich.
Ich empfinde diese Umstände jedoch nicht als Nachteil. Für meine Kusamonoschalen wünsche ich ein archaisch anmutendes Finish. Die Textur mancher Oberflächen erinnert an Naturstein, Bearbeitungsspuren lassen primitive Techniken erahnen, einige Glasur»fehler« scheinen die Folgen fortschreitenden Verfalls zu sein. Dennoch wird eine solche Schale bepflanzt - mit Gräsern, Farn, Moos, blühenden Gewächsen, welche eine über längere Zeit natürlich entstandene Pflanzengemeinschaft darstellen.
Gefunden haben wir unsere Akzent-Pflanzen nicht selten irgendwo am Wegesrand. Oder es war »Beifang« beim Ausgraben eines Yamadori. Zumeist unbeachtet waren sie ein Bestandteil der uns umgebenden Natur, bis wir uns ihrer angenommen, sie zum Objekt der Betrachtung gemacht haben. Ist es nicht mit der Schale ebenso? Unspektakulär und grobschlächtig ist die Keramik im Vergleich zu einer meisterhaft gearbeiteten Bonsaischale, bis wir ihr durch die Bepflanzung eine gewisse Würde verleihen und sie in den Blick des Betrachters rücken. Nun werden spannende Details sichtbar und in der Kombination zeigt sich eine zuvor verborgene herbe Schönheit, die sich nicht anbiedert, sondern erkundet werden will.
Die eher rudimentären Steuerungsmöglichkeiten meines Brennofens bringen gewisse Unwägbarkeiten mit sich. Somit erhält der Zufall seine Chance, auch wenn ihm nicht Tür und Tor geöffnet sind. Anstatt ein konkretes Ergebnis anzustreben, lasse ich diesen Zufall gewähren und freue mich auf den spannenden Augenblick, in welchem die fertige Schale dem Ofen entnommen wird. Dann ist es an der Zeit, sie in die Hand zu nehmen, das Gewicht zu spüren, die Textur zu ertasten, sie hin und her zu wenden und nach dem Highlight zu suchen um die Betrachtungsseite zu finden. Und ja: Es ist ein emotionaler Moment, in welchem sich aus einem unbekümmerten und nahezu kindlichen Staunen eine tiefe Verbundenheit entwickeln kann.
Bei dieser Gelegenheit wird es dann auch Zeit, Euch mein neues Töpfersiegel vorzustellen:
Es setzt sich aus dem Kanji für »Gras« (japanisch Kusa) und meinen Initialen zusammen. Letztere können auch als ein Gefäß auf einem Ständer gedeutet werden.
Du wartest nun auch, daß ich wieder meinen Ofen öffne? Oder Du möchtest eine meiner Schalen »begreifen«? Dann schaue doch einfach mal in meinem Facebook-Account vorbei, dort werde ich aktuelle Fotos einstellen, wenn es neue Schalen gibt.